Palo Cortado. Eine schmackhafte Zwischenwelt mit kleinen Fragezeichen
Selbst überzeugte Weinfans geben manchmal zu, dass ihr Lieblingsgetränk durchaus eine Wissenschaft für sich darstellen kann. Genießer, die sich auf Sherry festlegen, haben dafür sicher vollstes Verständnis. Denn auch bei ihrem Favoriten kann der Laie mit den Bezeichnungen und Produktionsmethoden schon mal etwas durcheinanderkommen. Ein gutes Beispiel dafür: der Palo Cortado.
Palo Cortado bedeutet im Spanischen so viel wie „der abgebrochene Stock“. Bringt uns das in unserem Wissensdurst weiter? Nicht wirklich. Da hilft es dann eher, in einem guten Weinlexikon nachzuschlagen. Gesagt, getan. Danach handelt es sich bei einem Palo Cortado um einen eher seltenen, dafür aber herausragend guten Sherry, der bei seiner Entstehung auf einen etwas unzuverlässigen Kameraden angewiesen ist. Palo Cortado entsteht nämlich eher zufällig, und zwar immer dann, wenn eigentlich ein Sherry als „Fino“ ausgebaut werden soll. Dabei kann es vorkommen, dass sich die Hefe nicht ganz so verhält, wie sie es eigentlich sollte. In der Konsequenz oxidiert der Sherry ein wenig stärker als geplant, was schließlich einen Sherry hervorbringt, der zwischen Amontillado und Oloroso angesiedelt ist. Die Nase nimmt dieses Zufallsprodukt zuerst wahr, denn Palo Cortado duftet verführerisch nach Mandeln und Nüssen. Am Gaumen erinnert Palo Cortado dank seiner Frische an einen Amontillado, während er dem Oloroso parallel dazu Komplexität und Tiefe verdankt.
Dem Zufall auf die Sprünge helfenl
Diese Mischung kommt bei Sherryfans sehr gut an und entsprechend gibt es ein großes Angebot an Palo Cortados. Doch gerade die Üppigkeit des Angebots lässt Zweifel daran aufkommen, ob jeder Palo Cortado auch wirklich ein Zufallsprodukt ist oder ob inzwischen vielleicht ein wenig nachgeholfen wird. Könnte man nicht vielleicht einfach Amontillado und Oloroso mischen? Könnte man natürlich und das ist sogar legal. Allerdings, ein solcher Verschnitt darf dann nicht als Palo Cortado bezeichnet und in den Handel gebracht werden. Das wäre illegal.
Natürlich sind auch andere Tricks denkbar, um dem Zufall bei der Produktion von Palo Cortado auf die Sprünge zu helfen. Allerdings, vor allem für kleinere Produzenten würde das einen enormen Aufwand bedeuten. Im Großen und Ganzen darf also darauf vertraut werden, dass Palo Cortado wirklich ein ebenso köstlicher wie produktionstechnisch gesehen unberechenbarer Genuss ist.
Für die Herstellung werden entweder Trauben der Sorte Palomino Fino oder Pedro Ximinez verwendet. Wenn aus ihnen Fino, auch Palo genannt, hergestellt werden soll, steht das entsprechend auf einem Schild am Fass. Wenn der Kellermeister dann feststellen sollte, dass sich der Sherry anders entwickelt, wird der Name durchgestrichen. Der ursprüngliche Prozess ist dann abgebrochen - so erklärt sich zum guten Schluss auch der Name.