Stark im Kommen: Sherry, der verstärkte „Weißwein“
Kann es wirklich sein, dass sich die Geschichte eines Landes, eines Kontinents, ja sogar der Welt in einem Getränk widerspiegelt? Das ist tatsächlich möglich und es gibt mehr als ein Beispiel dafür. Besonders farbenprächtig, abwechslungsreich und spannend lässt sich die These mit dem belegen, was sich im „goldenen Dreieck“ im heutigen Andalusien in Spanien durch die Jahrhunderte zugetragen hat. Dort, unweit von Cadiz und zwischen den drei Eckpunkten Sanlúcar de Barrameda, El Puerto de Santa Maria und vor allem Jerez de la Frontera, lag und liegt das Herz der weltweiten Sherry-Produktion.
Sherry ist ein mit Branntwein verstärkter Weißwein, der seinen Namen von der Stadt Jerez de la Frontera hat. Da geht’s mit der Geschichte gleich richtig los: Jerez befand sich nämlich 500 Jahre lang unter maurischer Herrschaft, bevor es 1264 unter der Führung des kastilischen Monarchen Alfonso X. zurückerobert und wieder christlich wurde. Unter den Mauren hatten sowohl die Stadt als auch die sie umgebende Region den Namen „Sherish“ getragen. Obwohl die Mauren Alkohol aus religiösen Gründen ablehnten, konnten die Spanier ihre auch damals schon mehr als tausend Jahre zurückreichende Traubenproduktion retten. Sie trockneten sie zu Rosinen und produzierten alkoholhaltige Flüssigkeiten nur noch für medizinische Zwecke. Behaupteten sie jedenfalls...
Verlernt hatten sie die Sherryproduktion jedenfalls nicht, als die Mauren schließlich abziehen mussten. Doch bald schon ergab sich das nächste internationale „Problem“. Die Engländer bekamen Wind von dem köstlichen Getränk und tauschten es zunächst gegen Wolle; später kauften sie Sherry gleich fassweise gegen Bares. Das brachte auch die Franzosen und die Flamen auf den Plan. Es dauerte nicht lange und Sherry begleitete die großen Abenteurer und Entdecker auf ihren Seereisen um die ganze bekannte und damals auch noch unbekannte Welt. So groß und wirtschaftlich wichtig war schließlich die Nachfrage, dass die Traubenproduktion im goldenen Dreieck unter königlichen Schutz gestellt wurde. Der Vorläufer der heutigen Herkunftsbezeichnung war damit erfunden.
Wo Gewalt versagte, mussten Investitionen her
Freilich, der Rest der Welt wollte den Spaniern das großartige Geschäft mit ihrem Sherry nicht einfach kampflos überlassen. Nachdem einige militärische (!) Angriffe auf Cadiz fehlgeschlagen waren, sannen die Engländer auf andere Möglichkeiten, an der profitablen Produktion teilzuhaben. Sie investierten in die Region und ihre Weingüter - mit durchschlagendem Erfolg. Bis heute tragen einige der weltweit größten Sherry-Marken englische Namen.
10.000 Hektar für eine weltweite Fangemeinde
Heute sind es gut 10.000 Hektar im goldenen Dreieck, auf denen Reben für die Sherryproduktion kultiviert werden dürfen. Für die überwältigende Mehrheit der Tropfen wird die Rebsorte Palomino Fino zunächst zu einem trockenen Weißwein ausgebaut. Danach gibt es diverse Möglichkeiten, den Sherry zu modifizieren. Manchmal wird er mit kleinen Teilen Wein aus Moscatel oder Pedri Ximinez verschnitten, immer aber mit Branntwein verstärkt. Dann erfolgt die Fassreife; auch sie kann in sehr unterschiedlichen Schritten stattfinden und bringt dadurch sehr unterschiedliche Arten von Sherry hervor; von extrem trocken bis beinahe süß.
In der jüngeren Vergangenheit erlebte die Nachfrage nach Sherry eine kleine Flaute. Die scheint jetzt allerdings nachhaltig überwunden zu sein. Seit einigen Jahren nehmen die Verkaufszahlen wieder kräftig zu und Sherry erobert sich - einmal mehr - ein neue, junge Fangemeinde.